Haben Sie schon einmal davon getr?umt, neben Marilyn Monroe zu liegen, auf dem Thron der britischen Queen Platz nehmen zu dürfen, oder den Basketball-Riesen Yao Ming beim Wurfversuch zu blocken? Wenn ja, dürfen Sie sich das neue Madame Tussauds in Beijing auf keinen Fall entgehen lassen! In der Einkaufsstra?e Qianmen, einen Steinwurf vom Mao-Mausoleum entfernt, werden seit dem 31. Mai all diese Tr?ume wahr.
Dem “Gro?en Steuermann” werden Sie im vierten Madame Tussauds in China nach Hongkong, Shanghai und Wuhan aber genauso wenig begegnen wie dem aktuellen chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping. Chinas Führungsriege ist die gro?e Abwesende im mit viel Liebe fürs Detail eingerichteten Museum. Die Gespr?che mit den chinesischen Beh?rden seien noch im Gange, hei?t es von Seiten der Merlin Entertainments, der Besitzerin von Madame Tussauds.
Keine Berührungs?ngste kennt hingegen ganz offenbar US-Pr?sident Barack Obama. Wer bereit ist, mindestens eine halbe Stunde lang Schlange zu stehen, darf es sich an seinem Schreibtisch im “Oval Office” gemütlich machen und sich zusammen mit ihm ablichten lassen.
Erinnerungsfotos mit Politgr??en sind im neuen Madame Tussauds in Beijing ansonsten aber leider fast kaum m?glich, da der Themenbereich “World Leaders” neben Obama aus gerade einmal sieben Pers?nlichkeiten besteht - einschlie?lich Prinz William und seiner Gattin Kate Middleton.
Auch nach Wissenschaftlern und gro?en Denkern, die China oder die Welt ver?ndert haben, wie Konfuzius, Cai Lun, Darwin oder Einstein sucht man vergebens. Die überwiegende Mehrheit der ausgestellten Wachsfiguren stammt aus dem Sport- und Showbusiness und ist im Westen - wenn überhaupt - nur bedingt bekannt. Oder sagen Ihnen die Namen Robin Li Yanhong (Jungunternehmer), Lang Ping (Volleyballerin), Yang Lan (Fernsehmoderatorin) oder Carina Lau (Schauspielerin) etwas?
W?hrend aus Sicht des westlichen Besuchers vor allem die insgesamt eher oberfl?chliche Auswahl beziehungsweise die Nichtberücksichtigung von historisch bedeutenden Pers?nlichkeiten auf Unverst?ndnis st??t, scheint sich der chinesische Besucher haupts?chlich am Aussehen einiger Wachsfiguren zu st?ren. Im Gegensatz zu den unglaublich echt wirkenden Promis aus dem Westen würden viele chinesische Stars “viel h?sslicher und ?lter” aussehen, urteilt beispielsweise die Global Times. Noch h?rter f?llt das Urteil von Bazzar Entertainment aus. Es w?re keine überraschung, witzelt die Zeitschrift, wenn einige aufgebrachte Fans des taiwanesischen Pop-Stars Jay Chou den Erschaffer ihres Idols umbringen würden.
Trotzdem - oder vielleicht ja gerade auch deshalb - knipsen die fast ausschlie?lich chinesischen Besucher was das Zeug h?lt. Für die witzigen und durchaus informativen zweisprachigen Infotafeln, die neben jeder Wachsfigur unübersehbar angebracht sind, scheint sich hingegen so gut wie niemand zu interessieren. Als wissbegieriger Besucher fühlt man sich auf dem engen Rundgang durchs Museum daher oft wie auf einem Hindernislauf ohne jeglichen Tiefgang.
Anders als im originalen Madame Tussauds in London ist das Anfassen der Figuren in Beijing übrigens explizit erlaubt. Die Ausstellungsmacher haben ganz bewusst auf jegliche physische Schranke zwischen den Besuchern und ihren Idolen aus Wachs, die allesamt in London hergestellt wurden, verzichtet.
Ein mehr als gewagter Schritt, wenn man den ausgepr?gten “Tastsinn” der Chinesen sowie die zeit- und kostenintensive Herstellung der Wachsfiguren bedenkt. Allein die Herstellung eines Kopfes dauert im Schnitt sechs Wochen. Fünf weitere Wochen werden für das Einfügen der Haare ben?tigt. So kann es einem schon fast Angst und Bange werden, wenn man sieht, wie ungeniert einige Besucher zu Werke gehen. Nicht einmal der Bart von Karl Marx oder die Brüste von Marilyn Monroe sind vor ihren “Qualit?tstests” gefeit.
B?se Zungen behaupten denn auch, dass der Eintrittspreis von 170 Yuan RMB (20 Euro) pro Person nur deshalb so hoch ist, weil in ihm die Reparaturkosten schon miteinberechnet sind...
Falls Sie die Welt der Stars aus chinesischer Sicht noch in ihrer vollen Pracht bewundern m?chten, sollten Sie das also besser heute als morgen tun!
Anfahrt:
U-Bahn Linie 2 bis “Qianmen”. Dann zu Fu? unter dem imposanten Stadttor hindurch und die Stra?e überqueren. Das Madame Tussauds liegt etwa 100 Meter südlich des gro?en Torbogens, auf der linken Seite der Einkaufsstra?e unweit des Quanjude-Restaurants.
Mehr Infos finden Sie unter:
http://www.madametussauds.com/Beijing/en/Default.aspx
(Text und Fotos von Simon Gisler)
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