Auch wenn mehrere Dutzend Abkommen unterzeichnet werden, geht es bei der Europa-Reise von Premier Li um weit mehr als nur Wirtschaftsfragen. Ebenfalls ein Thema sind die Entwicklungen in der Ukraine und in Syrien.
In den n?chsten neun Tagen wird Li Keqiang Deutschland, Russland und Italien besuchen. Es ist bereits die zweite Europa-Reise von Chinas Premier. Dabei sollen rund 100 Abkommen unterzeichnet werden. Die Bandbreite der Abkommen reicht von der industriellen Zusammenarbeit über den Energiesektor und das Finanzwesen bis hin zur Kooperation in Wissenschaft und Bildung.
Zu Lis Europa-Reise geh?rt auch der Besuch des Hauptsitzes der Ern?hrungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom sowie die Teilnahme am zehnten Asien-Europa-Treffen in Mailand.
Professor Peter Ho von der Technischen Universit?t im niederl?ndischen Delft betont die wirtschaftliche Bedeutung von Li Keqiangs Europa-Reise. Als Chinas gr??ter Handelspartner spiele die Europ?ische Union (EU) eine sehr wichtige Rolle in Beijings Diplomatie. Beide Seiten würden von einem uneingeschr?nkten Marktzugang profitieren, sagt Ho, der in Delft über Chinas sozio?konomische Entwicklung doziert: ?Die EU ist ein riesiger Markt für chinesische Produkte. Zudem ist die EU für China ein wichtiges Gegengewicht zum US-Markt.“
Nach Ansicht von Ho geht es bei Lis zweiter Europa-Reise jedoch nicht nur um Wirtschaft und Handel. Ebenfalls zur Sprache k?men geopolitische Themen. Die EU fungiere auf der internationalen Bühne oft als Puffer zwischen China und den USA. Die Europa-Besuche von Pr?sident Xi Jinping und Premier Li Keqiang in diesem Jahr würden die strategisch wichtige Rolle der EU für China unterstreichen. ?Die Krise in der Ukraine und ihre Auswirkungen auf den Weltfrieden, die Situation in Syrien hinsichtlich des Islamischen Staats, oder auch die Wirtschaft in Europa, die gegenw?rtig unter einer Konjunkturschw?che zu leiden scheint – all das kann auch gro?en Einfluss auf China haben“, warnt Professor Ho.
Umso wichtiger sind für die Volksrepublik zuverl?ssige Partner in Europa wie Deutschland. ?Ich gehe davon aus, dass mit dem Deutschland-Besuch von Premier Li und seinem Team die Tradition der strategischen Partnerschaft, des Vertrauens sowie des konstruktiven und offenen Dialogs zwischen den beiden L?ndern weitergehen wird“, meint Marc Szepan vom Berliner Mercator Institute for China Studies (MERICS). Infolge seines rasanten wirtschaftlichen Aufstiegs werde China in Zukunft auch international eine gr??ere Rolle spielen, ist Szepan überzeugt: ?Wir haben in letzter Zeit gesehen, dass China eine viel aktivere Rolle gespielt hat – etwa bei den Operationen gegen die Piraterie. Wie das Beispiel Südsudan zeigt, hat China begonnen an Friedensmissionen mitzuwirken. Je st?rker China wird, desto mehr wird es auch in der Lage sein, einen positiven Beitrag zur internationalen Ordnung zu leisten.“