Die Angst vor dem Ungewissen
Am 18. Dezember besuchte ich ihn im Krankenhaus, er hatte gerade weitere Untersuchungen abgeschlossen und schleppte sich zurück ins Krankenzimmer. Der rote Schlafanzug lie? sein Gesicht noch blasser wirken.
An seiner Hand hat er einen Katheter, der nicht entfernt werden darf, denn er muss jeden Tag sieben, acht Mal an den Tropf. ?Morgens um halb zehn geht es los, das geht dann ungef?hr bis abends halb acht.” In der Nacht muss er ans Sauerstoffger?t, ?Blutkrebspatienten leiden an Blutarmut, mit zus?tzlichem Sauerstoff ist es etwas angenehmer.“
Eigentlich br?uchte Hongyan eine Blutw?sche, aber aus finanziellen Gründen versucht er weiterhin mithilfe von Medikamenten seine wei?en Blutk?rperchen zu verringern. ?Eine Blutw?sche selbst kostet 3800 Yuan (490 Euro), aber mit allen zus?tzlich anfallenden Kosten ist man bei 10.000 Yuan (1280 Euro).” Um Geld zu sparen, wurde gestern auf Bitte Hongyans das Sauerstoffger?t ausgeschaltet, ?denn eine Stunde Sauerstoff kostet mich 6 Yuan.”
Blutkrebs sei wie ein gro?er dunkler Strudel im Meer, das Ungewisse mache ihn so furchteinfl??end.
Laut Dr. Zhou De, Chefarzt in der H?matologie der Uniklinik, muss Hongyan erst einen Monat eine sogenannte zielgerichtete Therapie machen. Wenn sich das Fortschreiten der Krankheit so nicht stoppen l?sst, muss man mit der Chemotherapie beginnen. Erst wenn die Chemotherapie erfolgreich ist, kann man Knochenmark transplantieren.
Wenn die Behandlung nicht klappt, bleibt Hongyan weniger als ein Jahr.
Selbstaufgabe
Egal, wie die weitere Behandlung abl?uft, für Hongyan ist das eine enorme finanzielle Belastung.
?Er ist nicht versichert, die Behandlung kostet deswegen fünf Mal so viel wie bei anderen. Die zielgerichtete Therapie kostet 1.500 Yuan pro Monat, eine Chemotherapie kostet über 100.000 Yuan, eine Knochenmarktransplantation kostet 900.000 Yuan, danach müssen dann noch immunsuppressiv wirkende Medikamente eingenommen werden, die kosten pro Monat ca. 2000 Yuan.“
Für Hongyan sind das astronomische Kosten, er verdient pro Monat gerade mal 5000 Yuan, davon hat er bisher immer etwas zur Familie in die Heimat geschickt. Ersparnisse hat er kaum.
Als er die Diagnose bekam, wollte Hongyan erst gar keine Behandlung: ?Ich wollte andere nicht belasten, hatte auch das Gefühl, ich bin es gar nicht wert.“
Die Eltern sind schon früh gestorben, er ist dann mit zwei Cousins zusammen gro?geworden. Der ?ltere Cousin ist in der Heimat geblieben, arbeitet in der Landwirtschaft, macht mal dies, mal das. Der jüngere Cousin ist auch in Hangzhou und arbeitet im Bauwesen, auch er verdient nicht viel.
Hongyan hat zwei Kinder, eine 10-j?hrige Tochter und einen 4-j?hrigen Sohn. Verheiratet ist er seit elf Jahren, immer voneinander getrennt, Gefühle sind kaum noch da. Letztes Jahr war die Beziehung an einem absoluten Tiefpunkt.
Hongyan fing mit dem Spielen an. ?Ich hatte schlechte Laune, hab die Kontrolle verloren.“ Letzten Monat hat Hongyan beschlossen mit der Spielerei aufzuh?ren. ?Ich musste an meine 10-j?hrige Tochter und meinen 4-j?hrigen Sohn denken, meine Verantwortung für die beiden.“
So bitter kann das Leben manchmal sein. Erst ein Lichtblick, dann die Diagnose.
Hongyans Blutkrebs ist selten, von 10.000 Menschen erkranken durchschnittlich nur 3 daran. Er habe eben Pech, meint Hongyan.
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